Planungsprozesse und Leit-Bilder

Die Entwicklung einer Stadt im Sinne einer Verbesserung ihrer vielfältigen Leistungsfähigkeit für Bewohner und Besucher, einer Steigerung ihrer Attraktivität und ihres Einflusses auf das Umland erfordert immer eine Zielvorstellung, in die diese Entwicklung münden soll. Ohne Zielvorstellung, also ohne ein Bild der künftigen Stadt, ihrer Architektur, ihrer Frei- und Grünflachen, aber auch ihrer sozialen und wirtschaftlichen Funktionalität laufen Planungsprozesse Gefahr unkoordiniert und kontraproduktiv, punktuell und ohne inneren Zusammenhang "nebeneinander her" zu laufen. Uneinigkeit über das 'Wohin' einer Stadtentwicklung öffnet dem Regiment der Investoren Tür und Tor, denen im allgemeinen der kurzfristige Profit einer Investition wichtiger ist als ihr Beitrag zum langfristigen Wohlergehen einer Stadt. Um eine Entwicklung nicht zur Summe von unterschiedlich motivierten Einzelplanungen verkommen zu lassen ist also unabdingbar, über ein in der Bevölkerung weitestgehend verinnerlichtes Leitbild für die gemeinsame Zukunft zu verfügen.
Ein Leitbild darf demnach nicht allein eine stadtplanerisch formulierte Aufzählung von "wohlmeinenden Absichtserklärungen" sein, die alles Gute, Schöne und Wahre in rationalen Forderungen und ethischen Appellen zusammenfasst. Derart allgemeingültige und austauschbare Floskel-Sammlungen entbehren einen Bezug zu den "emotionalen Erfahrungen, den historischen Erinnerungen und den antizipierten Kompetenzen" einer Stadt. Wahrscheinlich werden sie nie die erforderliche breite und dauerhafte Unterstützung erhalten, weil keine Identifikation der Bevölkerung und der Akteure in den Planungsprozessen mit den Leitbildern zustande kommt.
"Leit-'Bilder' von Städten [...] sind nur über singuläre Merkzeichen - historische Situationen und neue Landmarks - vermittelbar". Die Identifizierung einer Stadt anhand Ihrer tatsächlichen Bilder, ergänzt durch historische Erinnerungen, Geschichten und Erzählungen trägt somit zu einer deutlichen Profilbildung bei. Ein Leit-Bild, das aus "der Verknüpfung von historischen Erinnerungen und emotionalen Erfahrungen" entsteht, ist daher mehr Beständigkeit und Wirksamkeit vorauszusagen als allgemeinen sozialen, ethischen und wirtschaftlichen Zielvorstellungen. [STEINER; Ohne Leitbild? Städtebau in Deutschland und Europa; 1998]

Um ein solches Leitbild zu installieren ist die umfassende Information über die Historie der Stadt erforderlich, die zum Status Quo geführt hat. In früheren Zeiten wurde diese Aufgabe durch mündliche und schriftliche Überlieferung von einer Generation zur nächsten erfüllt. Heute, da das Leben dynamischer und weniger ortsgebunden ist, ist das lokale Bewusstsein nicht mehr in der Intensität ausgeprägt. Es erfordert die Kommunizierbarkeit eines Leit-Bildes in oben beschriebener Form mit größeren Anstrengungen und den Einsatz moderner Mittel.